Am Tag nach der Abstim­mungsnieder­lage zur Unternehmenss­teuer­reform III hat im Lager der Befür­worter die Suche nach Fehlern und Ver­ant­wortlichen begonnen. Gle­ichzeit­ig befürcht­en Wirtschaftsver­bände, dass Fir­men geplante Investi­tio­nen auf Eis legen.

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«Alle Per­so­n­en, die an der Ja-Kam­pagne zur Unternehmenss­teuer­reform III mit­gewirkt haben, sind mitschuldig an der Nieder­lage.» Der Freiburg­er SVP-Nation­al­rat Jean-François Rime, Präsi­dent des Schweiz­erischen Gewer­be­ver­ban­des und auch Co-Präsi­dent des Ja-Komi­tees, zeigt sich gegenüber den FN kat­e­gorisch: «Wer so klar ver­liert, hat den Stimm­bürg­ern die Vor­lage falsch erk­lärt.» Für Rime geht die Suche nach den Ver­ant­wortlichen für die Nieder­lage aber über das Ja-Komi­tee hin­aus: «Das Par­la­ment ist genau­so schuldig. Es hat die Vor­lage mit eini­gen Punk­ten beladen, die ein­fach nicht passen. Beispiel­sweise die zins­bere­inigte Gewinns­teuer. Und vielle­icht ist es auch mit den geplanten Steuer­abzü­gen zu weit gegan­gen.» Gewisse Botschaften seien beim Stim­mvolk nicht angekom­men, meint Rime. Zum Beispiel sei oft vom 150-prozenti­gen Abzug für Aus­gaben in der Forschung und Entwick­lung die Rede gewe­sen, nicht aber, dass die gesamten möglichen Abzüge auf 80 Prozent des Gewinns beschränkt blieben. Auch ist er der Mei­n­ung, dass die Kam­pagne zu wenig aufzeigen kon­nte, wie sich die Vor­lage für so unter­schiedliche Kan­tone wie Genf, Basel oder Zug auswirken würde. «Schwierig war, dass die Geg­n­er eine Botschaft in einem Satz platzieren kon­nten, während wir für ein Argu­ment zehn Sätze braucht­en.» Die geäusserten Vor­würfe, dass das Pro-Lager uneinig oder arro­gant aufge­treten sei, nimmt Rime so zur Ken­nt­nis. «Wir wer­den nun eine ehrliche Manöverkri­tik machen. Damit habe ich kein Problem.»

Investi­tion­spläne in der Luft

«Die Botschaft aus der Abstim­mung ist klar, aber sie ist gefährlich», meint Chan­tal Robin, Direk­torin der Han­dels- und Indus­triekam­mer Freiburg. «Wenn das Resul­tat knapp gewe­sen wäre, hät­ten wir es den Fir­men vielle­icht erk­lären kön­nen. So aber müssen wir abwarten, welche neuen Vorschläge aus Bern kom­men.» Robin erwartet «schnell einen klaren Vorschlag». Sie betont: «Die Fir­men müssen ihre Zukun­ft ken­nen, weil sie ihre Investi­tion­spläne vorzeit­ig machen.» Wenn die Unternehmenss­teuer­reform block­iert ist, sei das schlecht für die Wirtschaft, meint die Direk­torin. Pro­jek­te für Pro­duk­tion­san­la­gen oder Ver­grösserun­gen kön­nten nun block­iert sein. «Die Fol­gen des Brex­it und die US-Wahlen kom­men erschw­erend hinzu. Ger­ade Gross­bri­tan­nien dürfte Schweiz­er Fir­men schöne Augen machen, und die Wirtschafts­führer dürften derzeit alle Optio­nen analysieren.»

Für Reto Jul­my, Direk­tor «Berufsver­bände und Arbeit­ge­ber­poli­tik» beim Freiburg­er Arbeit­ge­berver­band, ist nach der Abstim­mung vom Son­ntag vieles unklar. Das Nein auf Bun­de­sebene erschwere die kan­tonale Umset­zung. Nie­mand könne heute sagen, was eine zukün­ftige Steuer­reform kostet, und sowohl Fir­men als auch Kan­tone und Gemein­den wür­den im Ungewis­sen gelassen. «Sich­er ist einzig, dass die Sta­tus­ge­sellschaften 2019 ver­schwinden wer­den», so Jul­my. «Was aber passiert dann mit den KMU, deren Umsätze teils von diesen inter­na­tionalen Gesellschaften abhän­gen?» Klar sei, dass bei der Erar­beitung ein­er kün­fti­gen Lösung die Linksparteien in die Pflicht genom­men wer­den müssten.

«Ten­denz im Herbst»

Daniel Bürdel, stel­lvertre­tender Direk­tor beim kan­tonalen Arbeit­ge­berver­band, glaubt, dass für die Freiburg­er Unternehmen bere­its in ein paar Monat­en eine entschei­dende Phase anste­ht: «Die Fir­men wer­den Ende 2017 Investi­tion­sentschei­de tre­f­fen. Da wird sich eine Ten­denz abze­ich­nen, wie sehr die Wirtschaft in Zukun­ft noch in Freiburg investiert.» Bürdel hofft, dass bis dann auf Bun­de­sebene bere­its ein neues Steuer­pro­jekt entste­ht, das 2019 in Kraft treten kann.«Direkt ändert heute noch nichts», so Bürdel. «Aber wenn die Unsicher­heit anhal­ten sollte, ver­lieren wir alle an Wohl­stand. Denn auch wenn viele KMU keine Gewinns­teuern bezahlen, so hän­gen sie doch als Zulief­er­er von betrof­fe­nen Unternehmen ab.» 

«Es ist ganz ein­fach ein schlecht­es Zeichen für die Wirtschaft», meint Nadine Gob­et, Direk­torin der Fédéra­tion patronale et économique in Bulle. «Man hat ein Pro­jekt über fünf Jahre aus­gear­beit­et, das auf Zus­tim­mung auf eid­genös­sis­ch­er Ebene stiess, und nun wis­sen die inter­na­tionalen Gesellschaften doch wieder nicht, wie es weit­erge­ht.» Gob­et erwartet, dass sich die inter­na­tionale Konkur­renz nun noch stärk­er bemerk­bar machen wird: «Die Unternehmen bezahlen bere­its heute höhere Löhne als im Aus­land. Mit tiefen Steuern kön­nten sie dies kompensieren.»

«Kein Grund für Unsicherheit»

Ander­er Mei­n­ung ist Unia-Sekretär Armand Jaquier, der den Gew­erkschaften eine Haup­trol­le in der Nein-Kam­pagne attestiert: «Ich bin überzeugt, dass im Kan­ton keine einzige Stelle wegen des Steuer­niveaus aufge­hoben wird. Wenn Stellen ver­loren gehen, dann nur, weil die Rentabil­ität für die Aktionäre nicht stimmt.» Auch sieht Jaquier keinen Grund für eine Unsicher­heit seit­ens der Betriebe: «Die bish­eri­gen Geset­ze bleiben beste­hen. Eine Unsicher­heit beste­ht bloss für jene, die möglichst wenig Steuern bezahlen wollen.» 

Staat­srat Olivi­er Cur­ty im Interview

«Wir sind nicht weit­er als vor zwei Jahren»

Olivi­er Cur­ty, kön­nen Sie abschätzen, wie Freiburg­er Fir­men auf das Nein zur Unternehmenss­teuer­reform reagieren?

Unternehmen mit einem Erweiterung­spro­jekt oder solche, die nach Freiburg ziehen möcht­en, wollen wis­sen, wie die fiskalis­chen Rah­menbe­din­gun­gen ab 2019 sein wer­den. Das wis­sen sie nun halt noch nicht, was eine grosse Unsicher­heit darstellt. Und ich kann darauf ein­fach noch keine Antwort geben.

Der Kan­ton hat den Kauf von Indus­triebrachen wie Tetra Pak oder Elan­co ein­geleit­et; Fir­men sollen inter­essiert sein, sich dort niederzu­lassen. Ist das nun gefährdet?

Die Abstim­mung kön­nte tat­säch­lich einen neg­a­tiv­en Ein­fluss haben. Aber es spie­len zahlre­iche andere Fak­toren auch mit. Die Nicht­plan­barkeit ist sehr schwierig für die Unternehmen. Es wurde ja nicht ein Pro­jekt abgelehnt oder angenom­men. Wir sind heute nicht weit­er als vor zwei Jahren.

Gilt die Unsicher­heit vor allem für Fir­men, die sich für oder gegen die Schweiz entschei­den müssen?

Ja, bei der exo­ge­nen Unternehmensförderung ist die Konkur­renz in gewis­sen Branchen extrem stark. Diese Fir­men stellen sich jet­zt viele Fragen.

Wie antworten Sie darauf?

Wir müssen beto­nen, dass der Bun­desrat schnell mit ein­er neuen Lösung kom­men wird. Und dass wir auf kan­tonaler Ebene ein aus­ge­wo­genes Pro­jekt haben, das allen­falls aufrechter­hal­ten wer­den kann. 

Autor: Urs Haenni

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