Der Grosse Rat hat die kan­tonale Steuer­reform in der vom Staat­srat vorgelegten Form genehmigt. Als die Forderung nach ein­er tief­er­en Div­i­den­denbesteuerung vom Tisch war, ging die Vor­lage glatt durch. Offen bleibt, ob es zum Ref­er­en­dum kommt.

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«Wir müssen ver­suchen, eine Mehrheit der Bürg­er von unserem Pro­jekt zu überzeu­gen.» Dies sagte Finanzdi­rek­tor Georges Godel (CVP) gestern bei der Debat­te zum kan­tonalen Pro­jekt ein­er Steuer­reform für die Unternehmen. Er erin­nerte daran, dass das Schweiz­er Stim­mvolk die Unternehmenss­teuer­reform  III im Feb­ru­ar 2017 abgelehnt hat­te, die Freiburg­er gar mit 63  Prozent.

Die Weichen sind nun gestellt. Der Grosse Rat hat die Umset­zung der kan­tonalen Steuer­reform mit 62 gegen zwölf Stim­men bei 18 Enthal­tun­gen genehmigt. Sie soll 2020 in Kraft treten. Das Par­la­ment hat das Pro­jekt in sein­er Gesamtheit so gut­ge­heis­sen, wie es der Staat­srat beantragt hat­te. Godel hat­te noch gewarnt, die «rote Lin­ie» nicht zu über­schre­it­en. Er kon­terte dabei vor allem eine Div­i­den­denbesteuerung von 60  Prozent, wie sie die Finanz- und Geschäft­sprü­fungskom­mis­sion vorgeschla­gen hat­te: «Es kön­nte der eine Schritt zu viel sein.»

Das Par­la­ment stimmte aber mit 49 gegen 46 Stim­men für eine Besteuerung von 70  Prozent, wie es der Staat­srat ver­langt hat­te (siehe Kasten).

Ref­er­en­dum in der Schwebe

Der Grosse Rat hat damit der Linken, die im Vor­feld ein Ref­er­en­dum angekündigt hat­te, den Wind aus den Segeln genom­men. Die SP-Frak­tion hat­te ver­laut­en lassen, sie würde ein Ref­er­en­dum unter­stützen, wenn die Steuer­reform über den staat­srätlichen Vorschlag hin­aus ver­schärft würde. Dies ist nun nicht der Fall. SP-Präsi­dent Benoît Piller (Avry-sur-Matran) sagte den FN, der Vor­stand werde inner­halb der zehn­tägi­gen Frist entschei­den, ob die Partei ein Ref­er­en­dum doch unter­stützen werde.

Mit dem gestri­gen Entscheid hat das Par­la­ment eine Steuer­reform angenom­men, die im Wesentlichen fol­gende Punk­te enthält: die Aufhe­bung des Spezial­sta­tus für Hold­ing- und Dom­izilge­sellschaften, einen Steuer­satz auf Fir­mengewin­nen von durch­schnit­tlich 13,72  Prozent, die Senkung der Kap­i­tal­s­teuer auf 0,1  Prozent, Steuer­abzüge auf Paten­terträ­gen sowie Forschungs- und Entwick­lungskosten, eine Beschränkung der Abzüge bei 20  Prozent, eine Div­i­den­denbesteuerung von 70  Prozent sowie soziale Aus­gle­ichs­mass­nah­men von 30,8  Mil­lio­nen Franken. Darüber hin­aus wer­den Gemein­den und Kirchen für ihre Steuer­aus­fälle über sieben Jahre mit 83  Mil­lio­nen Franken entschädigt (siehe unten).

Dieses Paket kor­rigiert einige Punk­te, die 2017 für das Scheit­ern der nationalen Unternehmenss­teuer­reform ver­ant­wortlich waren: Die Div­i­den­den wer­den stärk­er besteuert, die Unternehmen zahlen mehr für soziale Mass­nah­men, und Aus­fälle der Gemein­den wer­den bess­er abgefedert.

«Wie ein Uhrwerk»

Der Präsi­dent der Finanz- und Geschäft­sprü­fungskom­mis­sion, Claude Bro­dard (FDP, Le Mouret), hat­te die Aus­gangslage vor der Debat­te so beschrieben: «Das Pro­jekt ist tech­nisch kom­plex und poli­tisch emo­tion­s­ge­laden. Der Links-rechts-Graben ist markant, aber wir müssen eine geset­zliche Lösung find­en.» Staat­srat Godel sagte: «Wir haben ein aus­geglich­enes Sys­tem erar­beit­et. Alle Fir­men wer­den gle­ich behan­delt, und Freiburg bleibt wet­tbe­werb­s­fähig gegenüber anderen Kantonen.»

Auch Hubert Daf­flon (CVP, Grol­ley) unter­strich das Gle­ichgewicht der Reform: «Es ist wie bei einem Uhrw­erk: Alles ist aufeinan­der abges­timmt.» Nadine Gob­et (FDP, Bulle) erin­nerte daran, wie wichtig es sei, die Fir­men mit Spezial­sta­tus im Kan­ton zu behal­ten. «Diese 1800 Fir­men gener­ieren direkt und indi­rekt 8000 Stellen.»

Markus Bapst (CVP, Düdin­gen) machte sich für das Pro­jekt stark, wie es der Staat­srat vorgelegt hat­te. «Wir müssen eine Volksab­stim­mung gewin­nen kön­nen.» Deshalb bekämpfte er eine Div­i­den­denbesteuerung von weniger als 70  Prozent. Ein höher­er Prozentsatz käme für ihn aber ein­er Dop­pelbesteuerung gle­ich. Nicht alle Gross­räte erachteten die Vor­lage als aus­ge­wogen. «Ich sehe nicht, wo das Gle­ichgewicht sein soll», meinte SP-Präsi­dent Piller. «Es bräuchte ein Gle­ichgewicht zwis­chen den Steuer­aus­fällen und den Mehrein­nah­men.» Eri­ka Schny­der (SP, Vil­lars-­sur-­Glâne) war der Mei­n­ung, dass nicht alle Gemein­den gle­ich behan­delt wür­den. «Mehrere Gemein­den wer­den gezwun­gen sein, ihre Steuern mas­siv zu erhöhen.»

Für Daniel Bürdel (CVP, Plaf­feien) beruhen die Berech­nun­gen auf ein­er sta­tis­chen Sicht. Berück­sichtige man die dynamis­che Entwick­lung der Wirtschaft, seien die Aus­fälle weniger hoch. Bruno Boschung (CVP, Wün­newil) ergänzte: «Wir senken Unternehmenss­teuern und kom­pen­sieren sie, um erst ein­mal nicht zu ver­lieren und in Zukun­ft sog­ar zu profitieren.»

Entschei­dend für die Unternehmen ist die Planungssicherheit

Mit ein­er Gewinns­teuer von 13,72  Prozent liegt Freiburg auf dem 16. Platz schweizweit. Dies zumin­d­est dann, wenn man den Absicht­serk­lärun­gen der anderen Kan­tone Glauben schenkt. Der Kan­ton Freiburg mag mit diesem Satz bei den Unternehmen weit­er­hin nicht als Steueroase gel­ten. Doch er ist mit dem gestri­gen Entscheid ein­er der ersten Kan­tone, die ihre Steuer­reform fest­gelegt haben. Freiburg hat damit auch Vor­sprung auf den Bund, der seine Hausauf­gaben noch nicht gemacht hat. Und dieses Tem­po ist für Unternehmen entschei­den­der als Prozent­punk­te beim Steuer­satz, den Div­i­den­den oder den Abzü­gen. Unternehmer wollen Pla­nungssicher­heit: Dies haben sie gegenüber dem Staat­srat bei zahlre­ichen Gesprächen wieder­holt betont. Deshalb ist es wichtig, dass der gestrige Entscheid des Grossen Rates nicht durch ein Ref­er­en­dum infrage gestellt wird. Sollte ein solch­es zus­tande kom­men, gäbe es erst nach ein­er Volksab­stim­mung im Novem­ber Gewis­sheit für die Wirtschaft. Das Volk kann dem Staat­srat und dem Grossen Rat ver­trauen, dass es nicht über­gan­gen wird. Den Vor­be­hal­ten, welche 2017 zum Scheit­ern der USR  III führten, hat die Steuer­reform näm­lich nun Rech­nung getragen.

Steuer­satz Par­la­ment hat die 13,72 Prozent Gewinns­teuern zementiert 

Seit der Freiburg­er Staat­srat von ein­er kan­tonalen Unternehmenss­teuer­reform spricht, geht er von einem Steuer­satz von 13,72  Prozent aus. Diesen Satz hat gestern der Grosse Rat zemen­tiert. Mit 57 gegen 32 Stim­men set­zte sich der staat­srätliche Vorschlag gegen einen Antrag von SVP-Gross­rat Stéphane Peiry (Freiburg) durch, welch­er eine weit­ere Senkung um 0,5  Prozent­punk­te gefordert hat­te. Die Linke ihrer­seits hat­te zuvor beantragt, den Steuer­satz um zwei Prozent­punk­te zu erhöhen. Dieser Vorschlag erre­ichte aber nur ein Drit­tel der Stimmen.

Beim Gewinns­teuer­satz von 13,72  Prozent han­delt es sich um einen kan­tonalen Durch­schnittswert. Er set­zt sich zusam­men aus je einem Anteil für den Kan­ton, die Gemein­den, die Pfar­reien und Kirchge­mein­den sowie den Bund. Der Steuer­satz ist also je nach Gemeinde unter­schiedlich. Die 13,72  Prozent bedeuten eine Erhöhung für Fir­men, die bish­er vom Spezial­sta­tus prof­i­tierten, und eine Senkung für jene Unternehmen, welche bish­er 19,86  Prozent Gewinns­teuern zahlten. Mit 13,72  Prozent liegt Freiburg in Zukun­ft auf dem 16. Rang, wenn alle Kan­tone ihre Ankündi­gun­gen umset­zen. «Viele Kan­tone sind in einem ähn­lichen Bere­ich wie wir», so Staat­srat Georges Godel (CVP).

Stéphane Peiry hat­te seine Forderung nach einem noch tief­er­en Steuer­satz damit begrün­det, dass so die Div­i­den­denbesteuerung von 70  Prozent etwas kom­pen­siert würde. Für Benoît Piller (SP, Avry) ist hinge­gen 16,38  Prozent jen­er Wert, bei dem sich Mehrein­nah­men und Steuer­aus­fälle deck­en wür­den. 13,72  Prozent sind für ihn «Steuer­dump­ing.»

Bruno Marmi­er (Grüne, Vil­lars-sur-Glâne) wies darauf hin, dass andere Fak­toren wie eine aktive Boden­poli­tik für Fir­men eben­so wichtig sind wie der Steuersatz.

GEMEINDESTEUERN Par­la­ment und Regierung bewil­li­gen Härtefallbeitrag 

«Wie kon­nte der Staat­srat innert zwei Wochen 15  Mil­lio­nen Franken find­en?» Gross­rat Gabriel Kol­ly (SVP, Cor­bières) wun­derte sich gestern darüber, dass die Regierung nun bere­it ist, 83  Mil­lio­nen statt wie erst vorge­se­hen 67,2  Mil­lio­nen Franken zur Deck­ung von Steuer­aus­fällen bei Gemein­den sowie Kirchge­mein­den und Pfar­reien bereitzustellen.

Dass die Steuer­reform vor­erst zu Min­dere­in­nah­men führen wird, ist unum­strit­ten. Der Bund zahlt dazu den Kan­to­nen einen höheren Anteil an der direk­ten Bun­dess­teuer, und Freiburg hat entsch­ieden, über sieben Jahre einen Teil davon auf die kom­mu­nale Ebene weit­erzuleit­en: je 8,5  Mil­lio­nen Franken für die Gemein­den und 1,1  Mil­lio­nen für die Kirchen.

Doch die Finanz- und Geschäft­sprü­fungskom­mis­sion forderte noch mehr. Für Gemein­den, die durch die Reform ausseror­dentlich betrof­fen sind, soll über zwei Jahre noch ein Härte­fall­beitrag von je 7,86  Mil­lio­nen Franken hinzukom­men. Laut Finanzdi­rek­tor Georges Godel (CVP) unter­stütze der Staat­srat diesen Antrag der Kom­mis­sion. Der Grosse Rat stimmte ein­stim­mig zu.

Wie Claude Bro­dard (FDP, Le Mouret) erk­lärte, liegt ein Härte­fall vor, wenn der Ver­lust durch die Reform 1,5  Prozent der Gemein­deein­nah­men über­steigt. Um nicht steuergün­stige Gemein­den zu bevorteilen, wurde mit ein­er durch­schnit­tlichen Gemein­des­teuer von 75  Prozent gerech­net. So wer­den gemäss Bro­dard rund ein Drit­tel der Gemein­den einen Härte­fall­beitrag erhal­ten. «Dieser Betrag hil­ft, den Steuer­schock abzudämpfen», sagte der Präsi­dent des Gemein­de­ver­ban­des, Dominique But­ty (CVP, Romont). Die 83  Mil­lio­nen Franken unter­liegen dem oblig­a­torischen Finanzref­er­en­dum. Das Freiburg­er Stim­mvolk wird wohl im Mai 2019 darüber abstimmen.

Eine knappe Mehrheit für den Mittelweg 

Die Div­i­den­denbesteuerung erwies sich als eigentliche Knack­nuss der Freiburg­er Steuer­vor­lage. Bish­er wer­den die Div­i­den­den der Freiburg­er Unternehmen zu 50  Prozent besteuert. Das heisst, 50  Prozent aus den Div­i­den­den müssen als Einkom­men deklar­i­ert wer­den. In seinem Pro­jekt schlug der Staat­srat vor, diesen Satz auf 70  Prozent zu erhöhen. Die Finanz- und Geschäft­sprü­fungskom­mis­sion (FGK) hat­te aber mit Stichentscheid des Präsi­den­ten ein­er Fest­set­zung auf 60  Prozent zuges­timmt. Keine Chance hat­te eine Min­der­heit der Kom­mis­sion mit dem Ziel ein­er Erhöhung auf 80  Prozent.

Die gle­iche Debat­te ent­bran­nte gestern vor dem Plenum. Doch mit 49 gegen 46 Stim­men bei ein­er Enthal­tung genehmigte der Grosse Rat den staat­srätlichen Vorschlag von 70  Prozent. Einen Satz von 80  Prozent lehnte der Rat mit 62 gegen 34 Stim­men ab.

Dank der Erhöhung sollte der Kan­ton in Zukun­ft jährlich sechs Mil­lio­nen Franken mehr ein­nehmen. Laut dem FGK-Präsi­den­ten Claude Bro­dard (FDP, Le Mouret) wäre Freiburg mit 70  Prozent eventuell im interkan­tonalen Ver­gle­ich nicht konkur­ren­zfähig. Stéphane Peiry (SVP, Freiburg) prophezeite: «Mit 70  Prozent wird der Kan­ton nicht mehr Steuern ein­nehmen. Die Fir­men wer­den dann ein­fach Boni statt Div­i­den­den auszahlen.» Christa Mut­ter (Grüne, Freiburg) meinte jedoch: «Die 70  Prozent sind eine rote Lin­ie, die nicht ver­han­del­bar ist.»

Für Finanzdi­rek­tor Georges Godel (CVP) sind die 70  Prozent Div­i­den­denbesteuerung entschei­dend für die Akzep­tanz der ganzen Vor­lage. Dass sie Unternehmen abschreck­en kön­nen, glaubt er nicht: «In vie­len Gesprächen mit Unternehmern war die Div­i­den­denbesteuerung gar nie ein Thema.»

Autor: Urs Haenni

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