«Ja, aber massvoll»: So fasst der Freiburg­er Staat­srat seine Strate­gie zur Dig­i­tal­isierung der Ori­en­tierungss­chulen zusam­men. Als «pas­sive Antwort» und «Hin­hal­te­tak­tik» beze­ich­nen zwei Sensler Gross­räte diese Sicht. Sie fordern ein rascheres Vorgehen.

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Der Staat­srat will nicht alle Schü­lerin­nen und Schüler der Ori­en­tierungss­chulen (OS) mit einem eige­nen Com­put­er oder einem eige­nen Tablet ausstat­ten. Das schreibt die Freiburg­er Kan­ton­sregierung in ihrer Antwort auf eine Motion der bei­den Gross­räte Urs Per­ler (CSP, Schmit­ten) und Daniel Bürdel (CVP, Plaffeien).

Die «1 to 1»-Strategie – also ein Gerät pro Schü­lerin und Schüler – sei «ganz all­ge­mein betra­chtet nicht unbe­d­ingt das beste Konzept für die Inte­gra­tion von Medi­en und Infor­matik in der oblig­a­torischen Schule», heisst es in der staat­srätlichen Antwort. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die Jugendlichen der OS ein Gerät erhiel­ten, die Kinder auf der Unter­stufe aber nicht, da ja bere­its in den Klassen 7H und 8H Medi­en- und Infor­matikun­ter­richt erteilt werde.

Erst muss ein Konzept her

Staat­srat Jean-Pierre Siggen (CVP) sagte es den FN so: «Bevor wir das Mate­r­i­al anschaf­fen, müssen wir ein päd­a­gogis­ches Konzept erar­beit­en.» Das kön­nte allerd­ings noch eine Weile dauern. Die Deutschschweiz­er Kan­tone haben ihren Lehrplan 21 auf das laufende Schul­jahr einge­führt – und damit auch das Fach Medi­en und Infor­matik. Die Westschweiz­er Kan­tone hinge­gen kön­nen ihren neuen gemein­samen Lehrplan früh­estens auf das Schul­jahr 2023/24 imple­men­tieren. «Ohne kan­tonales päd­a­gogis­ches Konzept sind auch die Bedürfnisse und Ziele nicht klar fest­gelegt», schreibt der Staat­srat. Siggen betont auch, dass zuerst die Lehrerin­nen und Lehrer geschult wer­den müssten, bevor IT-Geräte für alle Schü­lerin­nen und Schüler einge­führt wer­den könnten.

Die bei­den Gross­räte Per­ler und Bürdel zeigen sich ent­täuscht über die Antwort. «Sie ist pas­siv», sagt Bürdel: «Die Antwort nen­nt vor allem Prob­leme und zeigt keine Lösun­gen auf.» Und Per­ler erken­nt in der Antwort «eine Hin­hal­te­tak­tik». Auch ihm fehlt «das Weiterführende»

Zu langsam

Für Bürdel ist klar, dass die oblig­a­torische Schule die Jugendlichen auf die Beruf­swelt vor­bere­it­en muss. «Darum muss auch der Unter­richt dig­i­taler wer­den.» Auch wenn der Staat­srat dies nicht im Prinzip abstre­ite, gehe es ihm nicht schnell genug voran.

Per­ler ärg­ert, dass der Staat­srat oft von der Dig­i­tal­isierung spricht. «Wird es dann konkret, dann scheut er sich, das dafür nötige Geld in die Fin­ger zu nehmen.»

MITTELSCHULE
Ab Som­mer mit eigen­em Com­put­er zur Schule

Bring your own device – bring dein eigenes Gerät mit: Nach dieser Devise sollen ab kom­men­dem Som­mer die Freiburg­er Mit­telschulen funk­tion­ieren. An den Gym­nasien, der Han­delsmit­telschule und der Fach­mit­telschule müssen alle neuen Schü­lerin­nen und Schüler ihren eige­nen Com­put­er mit­brin­gen. Die Lehrerin­nen und Lehrer entschei­den dann sel­ber, ob und wie sie die Geräte in ihren Unter­richt ein­bauen: ob die Jugendlichen sich direkt auf dem Lap­top Noti­zen machen dür­fen, ob sie gar die Unter­la­gen für den Kurs via E‑Mail erhal­ten – oder ob es keine Geräte im Schulz­im­mer geben soll. «Die Pilot­pro­jek­te an der Han­delsmit­telschule und am Kol­legium Gam­bach ver­laufen sehr zufrieden­stel­lend, wir haben keine Prob­leme», sagt Staat­srat Jean-Pierre Siggen (CVP) den FN.


Mora­to­ri­um gefordert

Das sehen nicht alle so. Lehrkräfte und Eltern sor­gen sich, und auch Umweltbe­denken kom­men auf. So ver­langt die Bewe­gung des Freiburg­er Kli­mas­treiks in ein­er Volksmo­tion ein Mora­to­ri­um, Eltern haben eine Peti­tion lanciert, und es gab einen offe­nen Brief von Lehrper­so­n­en. Inter­essierte haben mehrere Denkgrup­pen gebildet. Gestern kri­tisierten die Grup­pen Jean-Pierre Siggen in ein­er Mit­teilung: Er wolle nicht öffentlich über das Pro­jekt «Bring your own device» disku­tieren und ver­weigere den Dia­log. Sie forderten ihn zu öffentlichen Gesprächen auf – und zu einem Mora­to­ri­um: Vorder­hand solle «Bring your own device» im Kan­ton Freiburg nicht einge­führt werden.

SENSLER OS-SCHULEN
Es geht auch um die Finanzierung

Wenn disku­tiert wird, ob die Schulen mit trag­baren Com­put­ern und Tablets aus­ges­tat­tet wer­den sollen, geht es immer auch um die Frage, wer das alles bezahlen wird. Die bei­den Sensler Gross­räte Urs Per­ler (CSP, Schmit­ten) und Daniel Bürdel (CVP, Plaf­feien) haben in ihrer Motion (siehe Haupt­text) denn auch klar gefordert, dass kün­ftig der Kan­ton die Tablets bezahlen soll. Heute sind die Gemein­den dafür zuständig. «Das Tablet wird zum Lehrmit­tel wie ein Buch», sagt Bürdel. «Wenn jede Gemeinde sel­ber entschei­det, ob sie Tablets zur Ver­fü­gung stellt, haben kan­ton­sweit nicht mehr alle Jugendlichen die gle­ichen Voraussetzungen.»

Der Staat­srat hat in sein­er Antwort auf die Motion berech­net, was die Ein­führung eines Geräts pro Schü­lerin und Schüler kosten würde: 16 Mil­lio­nen Franken für den Kan­ton und 2,6 Mil­lio­nen Franken für die Gemein­den. Denn diese müssten für das Infor­matiknetz und den Strom aufkom­men. Der Staat­srat geht davon aus, dass zudem zu Beginn sechs Vol­lzeit­stellen geschaf­fen wer­den müssten, damit eine pro­fes­sionelle Begleitung des Pro­jek­ts möglich wäre.

Sel­ber in die Tasche greift schon ein­mal der Gemein­de­ver­band OS Sense: Die Gemein­den haben beschlossen, an den Ori­en­tierungss­chulen mit der Strate­gie «1 to 1» zu fahren – also alle Schü­lerin­nen und Schüler mit einem eige­nen Gerät auszus­tat­ten. «An diesem Pilot­pro­jekt hal­ten wir nach wie vor fest», sagt Christa Bür­gy, Präsi­dentin des OS-Ver­bands Sense und Gemein­derätin in Wün­newil-Fla­matt. «Es ist zukun­fts­gerichtet und wichtig für unsere Schü­lerin­nen und Schüler.» Über die Antwort des Staat­srats zeigt sie sich enttäuscht.

Autor: Nicole Jegerlehn­er

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