Die aktuelle Gesundheitskrise stellt unsere Gesellschaft in den unterschiedlichsten Bereichen vor grosse Herausforderungen. Neben den direkten Auswirkungen gibt es weitere Folgen, welche immer mehr ersichtlich werden und die zusätzliche Massnahmen erfordern. Die Integration der Schulabgängerinnen und ‑abgängern und Jugendlichen in den Arbeitsmarkt ist eines dieser wichtigen Themen, welche nicht vernachlässigt werden dürfen. Aus diesem Grund habe ich zuhanden des Staatsrats eine Anfrage gestellt.
Lesen Sie weiter
Nachdem im vergangenen Jahr mit einem speziellen Effort für einen Grossteil der Jugendlichen eine Anschlusslösung gefunden werden konnte, ist dies zum aktuellen Zeitpunkt für die Schulabgängerinnen und ‑abgänger im Sommer 2021 nicht gewährleistet. Einerseits werden vermehrt Schulabgängerinnen und ‑abgänger des Sommers 2020 nach der Absolvierung eines Zwischenjahres auf dem Arbeitsmarkt eine Lehrstelle suchen. Gleichzeitig werden die diesjährigen Schulabgängerinnen und ‑abgänger unter erschwerten Bedingungen ihre Zukunft angehen. Die Jugendlichen konnten aufgrund der Covid-Massnahmen nicht im selben Umfang Schnupperlehren besuchen und sich vielfach nur ungenügend auf die Berufswahl vorbereiten. Den zuständigen Berufsberaterinnen und ‑beratern war es in vielen Fällen auch nicht möglich, den entstandenen Rückstand aufzuholen. Zudem ist es in etlichen Firmen aufgrund der wirtschaftlichen Situation schwierig, die Ausbildungen in der bisherigen Zahl und Form weiterzuführen.
Die im Rahmen des Wiederankurbelungsplanes bewilligte Massnahme zur speziellen Unterstützung der Schulabgängerinnen und ‑abgänger bietet hier eine willkommene Hilfestellung. Es stellen sich jedoch grundsätzliche Fragen zum Thema der Integration von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten in den Arbeitsmarkt. Entsprechen die heutigen Dienstleistungen und Ressourcen im Bereich des BEA den Anforderungen an eine erfolgreiche Integration der Jugendlichen? Kann mit einer früheren und intensiveren Begleitung und Unterstützung von Jugendlichen mit Schwierigkeiten und wenig Unterstützung seitens der Eltern eine erfolgreichere Integration gewährleistet werden?
Diese Überlegungen führen zu einer Reihe von Fragen, welche ich nachfolgend an den Staatsrat richte:
1. Die Anzahl zu betreuender Schülerinnen und Schüler pro Berufsberaterin oder ‑berater hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Aktuell sind es rund 850 zu betreuende Personen pro Berufsberaterin oder ‑berater. Vor wenigen Jahren waren es noch 650. Welches Verhältnis sieht der Staatsrat als sinnvoll an? Wo steht der Kanton Freiburg im interkantonalen Vergleich?
2. Was für Auswirkungen in der Arbeit der Berufsberaterinnen und ‑berater entstehen durch die grosse Zahl an zusätzlich zu betreuenden Jugendlichen? Können einzelne Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden? Müssen Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an Beratung auf gewisse Dienstleistungen und Unterstützungen verzichten?
3. Wurde in den vergangenen Jahren eine Zielkontrolle der Betreuung und Beratung der Schülerinnen und Schüler durch die Berufsberaterinnen und ‑berater durchgeführt (Integration im Arbeitsmarkt, Besuch von Zwischenlösungen usw.)? Welche Resultate und Erkenntnisse lassen sich aus diesen Zielkontrollen allenfalls herauslesen? Welche Tendenz besteht beim Besuch von sogenannten Motivationssemestern durch Schülerinnen und Schüler ohne Anschlusslösung?
4. Wurden diesbezüglich die sprachlichen Unterschiede analysiert? Welche Gründe führen dazu, dass relativ gesehen weniger Deutschschweizer Schülerinnen und Schüler ohne Anschlusslösung die obligatorische Schule verlassen?
5. Vermehrt ist festzustellen, dass finanziell gut situierte Gemeinden eigene Beratungsdienst-leistungen für ihre Schülerinnen und ‑schüler zur Verfügung stellen und hierzu Personal engagieren. Wieso schaffen Gemeinden zunehmend zusätzliche Beratungs- und Integrationsangebote für Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten? Wie steht der Staatsrat zu dieser Entwicklung? Ist die Berufsberatung weiterhin als staatliche Aufgabe definiert und ist der Staatsrat bereit, die hierfür nötigen Mittel und Ressourcen zu sprechen? Wird durch diese zusätzlichen Angebote der Gemeinden eine Chancenungleichheit bei der Integration von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten in den Arbeitsmarkt geschaffen?
6. Ist mit der aktuellen Gesundheitskrise davon auszugehen, dass mehr Jugendliche nach Abschluss ihrer obligatorischen Schulzeit ohne direkte Anschlusslösung dastehen werden? Wenn ja, was ist der Staatsrat bereit, dagegen zu unternehmen?
7. Die im Wiederankurbelungsplan genehmigten 200 000 Franken zur Unterstützung der Schulabgängerinnen und ‑abgänger im Sommer 2021 sind eine willkommene Unterstützungsmassnahme im Rahmen der Bewältigung der indirekten Auswirkungen der Corona-Krise. Haben der Staatsrat und die zuständigen Direktionen eine Strategie zur mittel- und langfristig verbesserten Integration von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten in den Arbeitsmarkt erarbeitet? Gedenkt er die im Rahmen des Wiederankurbelungsplanes genehmigten Sofortmassnahmen (gezielte Workshops und spezielle Beratungsdienstleistungen durch Integrationsberaterinnen und ‑berater) weiterzuführen?
8. Ist der Staatsrat gewillt, eine gesamtheitliche Situationsanalyse der Integration der Jugendlichen mit Schwierigkeiten in den Arbeitsmarkt zu erstellen und zu prüfen, welches die Effekte und möglichen Auswirkungen der zusätzlichen Anstellung von Integrationsberaterinnen und ‑berater in der obligatorischen Schulzeit sind (=> Reduktion der Anzahl Schülerinnen und Schüler in Motivationssemestern, weniger Bedarf für das Case-Management usw.)? Ist er bereit, eine regelmässige Analyse des Mittel- und Ressourceneinsatzes vorzunehmen und die entsprechende Erfolgskontrolle zu den ergriffenen Massnahmen durchzuführen?
Ich danke dem Staatsrat für die Beantwortung dieser Fragen und fordere dazu auf, die notwendigen Massnahmen und Vorkehrungen rasch zu ergreifen. Die Integration von Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten ist gerade in der Corona-Pandemie ein zentrales Gesellschaftsanliegen, das von der Politik rasch und effektiv angegangen werden muss, damit die negativen Auswirkungen so gut wie möglich begrenzt werden.
Weniger Text