Das Freiburger Stimmvolk stimmt mit 55,8 Prozent für die kantonale Steuerreform. Die Gewinnsteuer der Firmen wird auf 13,72 Prozent gesenkt. Staatsrat Georges Godel ist überzeugt, dass nun kein Unternehmen abspringt.
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Die Freiburger Steuerreform für Unternehmensgewinne ist unter Dach und Fach. Das Stimmvolk hat das Gesetz über die Umsetzung der Steuerreform mit 55,8 Prozent sowie das Dekret über die Ausgleichsbeiträge an Gemeinden und Pfarreien mit 65,8 Prozent gutgeheissen.
Damit wird per 1. Januar 2020 der Spezialstatus für gewisse Unternehmen verschwinden; alle Firmen bezahlen künftig den gleichen Steuersatz. Für Freiburg wird dieser durchschnittliche Gewinnsteuersatz mit der gestrigen Abstimmung 13,72 Prozent betragen. Bisher lag er für ordentlich besteuerte Firmen bei 19,86 Prozent. Auch werden 30,8 Millionen Franken für soziale Massnahmen zur Verfügung gestellt. Und die Gemeinden und Pfarreien erhalten bis 2027 vom Kanton Kompensationszahlungen über maximal 83 Millionen Franken, falls sie aufgrund der Reform Mindereinnahmen erleiden.
Skepsis in Deutschfreiburg
Das Freiburger Ja zur Steuerreform ist allerdings ein zögerliches. Während Freiburg vor sechs Wochen an der eidgenössischen Abstimmung noch mit 68,4 Prozent den Rahmen für eine Steuerreform gutgeheissen hatte, liegt dieses Mal der Ja-Anteil deutlich darunter. Die Stimmbeteiligung fiel mit 26,2 Prozent bescheiden aus für die vom Staatsrat als «wichtigste Abstimmung der Legislatur» bezeichnete Vorlage.
Viele Nein-Stimmen kamen aus Deutschfreiburg. Der Sensebezirk lehnte die Vorlage mit 53,1 Prozent ab. Nur in Düdingen und St. Ursen gab es Ja-Mehrheiten. Der Seebezirk sagte mit 51,4 Prozent knapp Ja, aber auch da lehnten neun Gemeinden die Vorlage ab.
Bei den Vertretern aus der Politik herrschte dazu gestern im Freiburger Rathaus mehrheitlich Ratlosigkeit. Als häufigste Erklärung war zu hören, dass kürzlich Bern seine Steuerreform abgelehnt hatte.
Im Lager der Befürworter herrschte nach dem gestrigen Ja Erleichterung. Finanzdirektor Georges Godel (CVP) sagte: «Das Volk hat kundgetan, dass es Vertrauen in seine Regierung hat. Gleichzeitig schafft der Entscheid Vertrauen bei der Wirtschaft.»
Das Ja zur Steuerreform sei der Schlusspunkt hinter ein Projekt, das 2014 seinen Anfang genommen hatte. Bis zur Umsetzung am 1.1.2020 werde der Staatsrat nun sein Budget und den Finanzplan den neuen Gegebenheiten anpassen.
Godel zeigte sich überzeugt: «Mit dem Ja zu Steuerreform wird es mehr Steuereinnahmen geben.» Bei der Berechnung der finanziellen Auswirkungen habe der Staatsrat eine Marge einkalkuliert, gemäss der 20 Prozent der Statusfirmen abspringen könnten. Gestern aber sagte er: «Ich glaube, dass keine einzige Firma aus Steuergründen wegzieht.»
Ball bei Wirtschaftsförderung
Daniel Bürdel, stellvertretender Direktor beim Freiburgischen Arbeitgeberverband, ist froh, dass das Ja zur Steuerreform letztlich doch ein klarer Entscheid war. «Wer abgestimmt hat, hat begriffen, dass viel auf dem Spiel steht.» Den Abstimmungserfolg führt er auch auf die ausgeglichene Lösung mit den sozialen Massnahmen zurück. Er stellte fest, dass im Gegensatz zur gescheiterten Unternehmenssteuerreform III dieses Mal weniger von Ausfällen die Rede gewesen war. Er führt dies darauf zurück, dass der Staatsrat einen dynamischen Ansatz gewählt und die Wirtschaftsentwicklung mitberücksichtigt hat. «Für den Wirtschaftsstandort Freiburg ist dieser Entscheid zentral», so Bürdel. «Jetzt herrscht für die Firmen endlich Rechtssicherheit. Es gibt keinen Grund mehr, dass ein Unternehmen in einem anderen Kanton bessere Bedingungen findet. Ein Umzug wäre nur mit Kosten verbunden.» Für Bürdel ist wichtig, dass die Wirtschaftsförderung die Gunst der Stunde nutzt und mit guten Rahmenbedingungen neue Firmen anzieht.
Laurent Butty, Präsident des Freiburger Gemeindeverbandes, gab aber zu bedenken, dass rund ein Drittel das Dekret zur Kompensation der Gemeinden abgelehnt hatten. «Viele Bürger haben Angst, dass ihre Gemeinde zu viel verliert.» Ob der vorgesehene Ausgleichsbeitrag des Kantons ausreicht, kann er nicht sagen. «Auf Gemeindeebene wird der Effekt verzögert sichtbar. Bei den Gemeinderechnungen 2023 werden wir mehr wissen.»
Bei den Parteien zeigte man sich erfreut, dass nun ein Entscheid vorliegt. Laut FDP-Präsident Sébastien Dorthe könne es zwei bis drei Jahre Einbussen geben, darüber hinaus werde der Kanton aber die Früchte der Reform ernten. «Die Leistungen des Kantons werden sicher nicht eingeschränkt.»
Die Grünen hatten als einzige Partei die Vorlage geschlossen abgelehnt. Ihr Präsident Bruno Marmier ist der Meinung, dass Freiburg mit der Steuersenkung zu weit gehe. «Freiburg bietet den Firmen aussergewöhnliche Möglichkeiten. Dafür müssten sie einen angemessenen Preis bezahlen, was nun nicht der Fall ist.»
SP-Präsident Benoît Piller sprach von einem pragmatischen Abstimmungsergebnis. Seine Partei habe das Paket zwar nicht als ausgeglichen erachtet. Im Parlament werde man aber schon beim nächsten Budget darauf achten, dass es keinen Leistungsabbau gebe.
«Ich glaube, dass keine einzige Firma aus Steuergründen wegzieht.»
(Georges Godel)
«Wer abgestimmt hat, der hat begriffen, dass viel auf dem Spiel steht.»
(Daniel Bürdel)
REFERENDUMSKOMITEE
Gang zur Urne war für die Gegner ihr Sieg«Man hatte uns eine schwere Niederlage vorausgesagt», sagte Pierre Duffour, der mit seiner Bewegung Attac das Referendumskomitee gegen die Steuerreform angeführt hat. Das klare Votum zugunsten der eidgenössischen Steuerreform im Mai und der Einsatz der SP-Amtsträger für die Vorlage seien schlechte Vorzeichen gewesen. Nun seien aber die 44 Prozent Nein-Stimmen viel mehr als erwartet, so Duffour. «Was uns fehlte, war einzig eine Kampagne auf der Strasse.»
Duffour zeigte sich nach dem Ja des Stimmvolks zur Steuerreform gefasst: «Für uns war es bereits ein Sieg, dass das Volk überhaupt abstimmen konnte.» Dass nun einzelne Gemeinden und Regionen wie der Sensebezirk mehrheitlich Nein stimmten, bekräftigt ihn darin, mit dem Referendum richtig gelegen zu haben.
Mit der Abstimmung gehe der Einsatz von Attac gegen die Steuerreform zu Ende. Man werde weiter beobachten, was die Auswirkungen in den Gemeinden sind. Definitiv Bilanz könne man wohl erst in zehn Jahren ziehen. Duffour: «Ich würde mich dann freuen, wenn wir uns mit unserem Widerstand getäuscht haben.»
Paul Stulz, der für das Referendum an vorderster Font gekämpft hatte, sagte: «Für mich geht ein Kapitel zu Ende.» Als fader Nachgeschmack bleibe bei ihm, dass der Staatsrat eine «Desinformationskampagne» geführt habe mit Zahlen, die sich vom Abstimmungsbüchlein unterschieden.
Juristisch will Attac das Resultat aber nicht mehr anfechten. «Wir hätten vor der Abstimmung damit vor Gericht gehen sollen», sagte Stulz.
Autor: Urs Haenni
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